Rückabwicklung möglich: Gerichte stärken im VW-Abgasskandal zunehmend die Rechte der Geschädigten

Von Lukas Binner und RA Dr. Christoph Lindner

 

Nach anfänglicher Zaghaftigkeit urteilen deutsche Gerichte nun zunehmend im Sinne der Rechte der vom Abgasskandal Betroffenen Noch im März 2016 hatte das LG Bochum (Urteil v. 16.03.2016, Az. I-2 O 425/15) eine Klage eines VW-Kunden, der vom Kaufvertrag über seinen PKW zurücktreten wollte, abgewiesen. Die – unserer Ansicht nach verfehlte – Begründung war damals, dass die Erheblichkeit des Mangels nicht bewiesen sei.

Mittlerweile stellt sich die Lage anders da: Das Landgericht München I (Urteil v. 14.04.2016, Az. 23 O 23033/15) stärkte als erstes deutsches Gericht im VW- Abgasskandal die Rechte des Verbrauchers.  Das Gericht sprach dem Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises, sowie den Ersatz sonstiger Kosten, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, zu. Auch hier war die Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs Gegenstand der Klage. Der Kläger hatte im Mai 2014 bei der Beklagten, die 100 Prozentige Tochter des VW- Konzerns ist, oder sich dies kraft Rechtscheins zumindest zurechnen lassen muss, einen PKW mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 gekauft. Dieser ist vom  Abgasskandal betroffen. Als der Kläger davon erfuhr, forderte er die Beklagte unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf. Im März 2016 folgte dann die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung.

Die Rückabwicklung des Kaufvertrag setzt unter anderem einen Sachmangel voraus, dieser müsste auch erheblich sein. Das zuvor genannte LG Bochum verneinte diese Erheblichkeit aufgrund dessen, dass die Mangelbeseitigung laut Aussage des VW Konzerns in weniger als einer Stunde behoben sei und weniger als 100 Euro kosten würde. Damit lägen die Mängelbeseitigungskosten auch noch unter der 5 Prozent Schwelle.

Sachmangel nicht unerheblich

Dies sahen die Richter in München anders: Zum einen indiziere ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung die Erheblichkeit des Mangels (hier war die geringe Schadstoffemission für den Käufer besonders wichtig), zum anderen dürfe der Prozess der Mängelbeseitigung nicht isoliert betrachtet werden. Es müsse viel mehr auch auf den Vorbereitungsprozess abgestellt werden, da hier der Vorlauf immerhin ein Jahr lang dauern soll. Im Endergebnis stufte das Gericht den Mangel als erheblich ein, weshalb der Kläger einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufes hat. Diese ist aber bezüglich der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nachrangig.

Arglist des VW Konzerns ist der Beklagten zurechenbar

Für eine arglistige Täuschung  bedarf es einer bewussten Täuschung des Kunden. Das die Beklagte von dieser „Schummel-Software“ nichts wusste sei unerheblich, da das LG feststellte, dass die Beklagte zumindest über mehrere Beteiligung mittelbar eine Verbindung mit dem VW-Konzern hat. Zudem warb sie auf ihrem Internetauftritt damit, das sie 100 Prozentige Tochter des VW-Konzerns sei. Die Beklagte müsse sich also sämtliches Wissen zurechnen lassen und damit auch die Arglist. Das Gericht stellte damit fest, dass der Kaufvertrag damit auch wegen arglistiger Täuschung anfechtbar sei.

Weitere Gerichte folgen dieser Auffassung

Auch das Landgericht Lüneburg sprach einem Kläger mit Urteil vom 02.06.16 (Az. 4 O 3/16)  die Rücknahme eins VW Passats zu. Der Kläger hatte dem Händler eine Frist zur Nachbesserung von 2 Monaten gesetzt. Nachdem diese abgelaufen war, erklärte er dem Händler den Rücktritt, den dieser aber zurückwies. Nachdem der Kläger nun gegen den Händler Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises erhob, sprach ihm das Gericht diesen Anspruch zu. Ähnlich wie im oben genannten Urteil des LG München stufte das Gericht den Sachmangel als erheblich ein. Auch die Nachbesserungsfrist von 2 Monaten war angemessen. Der Käufer dürfe keinen Nachteil erleiden, weil der VW Konzern aufgrund der Menge an betroffenen Autos länger benötigt den Schaden beheben zu können. Weil der PKW teilweise durch ein Darlehen finanziert wurde, klagte der Käufer ebenso auf Feststellung, dass die Bank keinerlei weitere Ansprüche gegen ihn hätte. Dies bestätigte das Gericht. Auch hier musste der Kläger aber eine Nutzungsentschädigung bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auch das AG Lehrte, das am 22.06.16 eine mündliche Verhandlung über eine Feststellungsklage des Käufers eines VW Touran abhielt, hält diese für zulässig und begründet.  Die Pressestelle des LG Hildesheim berichtet, dass der Kläger Feststellungsklage bezüglich der Mängelgewährleistungs- und Schadenersatzrechte erhoben hat, um die Verjährung dieser zu hemmen. Das AG machte in der mündlichen Verhandlung insbesondere deutlich, dass der Mangel schon nicht unerheblich sei, da das Kraftfahrtbundesamt den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet hat.

Die Beklagte verzichtete darauf auf die Einrede der Verjährung. (Az. 13 C 549/16)

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens gegen Händler und den VW-Konzern zunehmend positiv darstellen. Betroffenen Fahrzeugeigentümern kann geraten werden, mit anwaltlicher Unterstützung vorzugehen, da nach bisheriger Erfahrung keinerlei freiwilliges Entgegenkommen der Verantwortlichen zu erwarten ist.

Die Kanzlei Dr. Lindner steht für eine unverbindliche und kostenfreie Erstberatung gerne zur Verfügung. Den Kontakt finden sie hier.

 

 

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